Am 22. Oktober 2024 fand im Freizeithof Meutstege ein Vortrag im Rahmen der FrauenORTE in Haren statt, bei dem Dr. Rüdiger Ritter, Leiter des Dokumentationszentrums Haren/Maczków, das Publikum auf eine Reise in die Nachkriegsjahre des Ortes mitnahm. DIZ-Leiter Joscha Hollmann und unser Praktikant Tobias Maennl besuchten die Veranstaltung. Im Folgenden schildert Tobias seine Eindrücke vom Abend.
In ausverkaufter Scheune schilderte Rüdiger Ritter anschaulich, wie Haren zwischen 1945 und 1948 in „Maczków“ umbenannt und von der Zivilbevölkerung geräumt werden musste, um polnische ‘Displaced Persons’ anzusiedeln, die bis 1945 als Kriegsgefangene in den ‘Emslandlagern’ inhaftiert worden waren.
Anlässlich des 110. Geburtstags der Ordensschwester Kunigunde wurde insbesondere das Leben der 1.700 “Oberlangener Frauen” in dieser besonderen Zeit beleuchtet. Diese Frauen wurden als Soldatinnen der polnischen Widerstandsbewegung beim Warschauer Aufstand festgenommen und ins Emsland deportiert. Sie bildeten die einzige Ausnahme in den sonst für männliche Häftlinge vorgesehenen Lagern im Emsland.
Ritter brachte spannende Einblicke und Zeitzeuginneninterviews aus den Archiven von seiner aktuellen Forschungsreise nach Warschau mit und schaffte es, das Publikum mit unerwarteten Details über das Alltagsleben und bewegenden Laufbahnen und Schicksalen einzelner Frauen zu fesseln. Er konnte mit überraschender Ausführlichkeit und anhand dichter Quellen- und Dokumentenlage schildern, wie sich die polnischen Soldaten:innen in Maczków eingelebt hatten. Durch historische Bilder und Karten gab er dem interessierten Publikum Einblicke in unterschiedliche Lebensbereiche und ermöglichte es diesem, sich empathisch in die Zeit hineinzuversetzen. Ebenfalls gab er die beeindruckenden Leistungen der Soldat:innen wieder, die es schafften, trotz der Unsicherheiten und Versorgungsknappheit eine eigene Verwaltung aufzubauen und ihr Alltagsleben mit Kunst und Kultur positiv zu gestalten, etwa durch regelmäßige Theaterveranstaltungen. Besonders die Aufnahmen der Theatergruppen und einer improvisierten Fahrschule sorgten im Publikum für rege Diskussionen und intensive Gespräche sowie Amüsement.
Doch auch an Denkstoff mangelte es nicht: In anregender Weise stellte Ritter zahlreiche Gegenwartsbezüge zu heute unsichtbaren oder stimmlosen Bevölkerungsgruppen her und verwies auf das fehlende Bewusstsein für die Gruppe der ‚Heimatlosen Ausländer‘ in der Bundesrepublik; ein Schicksal, mit dem eine kleine Gruppe der ‚Displaced Persons‘ noch jahrzehntelang in der Bundesrepublik leben musste.
Wir danken Rüdiger Ritter sowie Vanessa Görtz-Meiners von der Inselmühle Haren für die Einladung und freuten uns, auch die Kollegin Kathrin Flor aus dem Archiv der Gedenkstätte Esterwegen vor Ort für einen kurzen Austausch anzutreffen.