Lager I Börgermoor
Am 20. Juni 1933 erfolgte durch das Preußische Innenministerium die Festlegung, in Börgermoor, Esterwegen und Neusustrum drei Lager mit Platz für 5.000 Schutzhäftlinge errichten zu lassen. Zu diesem Zweck wurde am 28. Juni die „Verwaltungsdirektion der staatlichen Konzentrationslager“ mit Sitz in Papenburg eingerichtet, im Juli die Bewachung der SS übertragen und als Oberlagerkommandant der SS-Standartenführer Brinkmann eingesetzt.
Bereits am 22. Juni trafen die ersten 90 Häftlinge, darunter ausgebildete Handwerker, aus dem Gerichtsgefängnis Ulmer Höh in Düsseldorf im Konzentrationslager Börgermoor ein. Über ihre Ankunft konnte man am 28. Juni im Katholischen Volksboten (Meppen) lesen: „Das neue Konzentrationslager im Emsland. Die ersten 100 Häftlinge angekommen – Das größte Lager in Deutschland, das 3000-4000 Häftlinge aufnehmen kann.” „In dieses Lager sollen zunächst”, so war weiter zu lesen, „1000 in Schutzhaft befindliche Marxisten aus dem Ruhrgebiet hier ankommen. […] Ein großer Teil der Häftlinge wird Kultivierungs- und Torfarbeiten leisten. Im Anschluß hieran werden Leibesübungen getrieben und außerdem gibt es bis zum Eintritt der Dunkelheit auch eine Freizeit.”
Ihre Bewachung übernahm die Schutzpolizei Osnabrück gemeinsam mit Hilfspolizisten. Erster Lagerkommandant wurde Polizeihauptmann Widmann. Außerdem wurde am 28. Juni eine „Verwaltungsdirektion der staatlichen Konzentrationslager” mit Sitz in Papenburg eingerichtet. Gleichzeitig wurden zur Verstärkung der Schutzpolizei 20 SS-Männer nach Börgermoor geschickt, bevor im Juli/August die SS vollständig SA und Hilfspolizei bei der Bewachung der Schutzhäftlinge ablöste und SS-Sturmbannführer Fleitmann die Führung des Lagers übernahm.
Die ersten Monate des KZ Börgermoor schildert der Düsseldorfer Schauspieler und Kommunist Wolfgang Langhoff in seinem 1935 im Schweizer Exil erschienenen Roman „Die Moorsoldaten”. Langhoff beschreibt in diesem noch im selben Jahr in mehrere Sprachen übersetzten „unpolitischen Tatsachenbericht” seine Erlebnisse während der dreizehnmonatigen Haft im Konzentrationslager und geht darin auch ausführlich auf die Entstehung des Moorsoldatenliedes ein. Das Lied „Wir sind die Moorsoldaten” wurde im August 1933 von politischen Schutzhäftlingen des Lagers geschrieben. Nach einer nächtlichen Prügelorgie durch die SS hatten die Häftlinge beschlossen, eine Zirkusvorstellung für die Mitgefangenen und die Wachmannschaften zu inszenieren, um sich selbst wieder Mut zu machen. Im Rahmen dieser Aufführung wurde das Lied erstmalig gesungen. Johann Esser hatte die Urfassung geschrieben, Wolfgang Langhoff überarbeitete sie und Rudi Goguel vertonte das Gedicht und übte es im Lager mit dem Solinger Arbeiterchor ein. Wenige Tage nach seiner Aufführung wurde das Lied zwar durch die Lagerleitung verboten, aber es gelangte, bei Entlassungen und Verlegungen herausgeschmuggelt, in weitere KZ und ins Ausland. So bearbeitete Eisler die Urfassung für Ernst Busch, der es in den Spanischen Bürgerkrieg hineintrug.
Im Verlauf des Jahres 1933 häuften sich die Misshandlungen und Morde von Häftlingen. Gleichzeitig gab es zahlreiche Übergriffe der SS-Leute in den umliegenden Ortschaften, die zu Protesten aus der Bevölkerung führten. Das Innenministerium ließ daraufhin im November durch bewaffnete Einheiten der Schutzpolizei die Lagerkommandanten der drei emsländischen Konzentrationslager absetzen, die SS-Wachtruppen abrücken und durch staatliche Angestellte, zu „80 % aus der SA. und 20 % aus der SS”, ersetzen. Die Dienstaufsicht der am 20. Dezember eingerichteten “Kommandantur der staatlichen Konzentrationslager” oblag nun nicht mehr dem Geheimen Staatspolizeiamt, sondern dem Preußischen Staatsrat Oberpräsident Viktor Lutze, der auch SA-Gruppenführer war.
Im April 1934 wurde das Lager als KZ aufgelöst und von der Justiz als Strafgefangenenlager mit der Bezeichnung Lager I Börgermoor übernommen. Die Bewachung auch dieses Lager oblag fortan der SA-Pionierstandarte 10, deren Angehörige den aus der KZ-Phase bekannten Terror und die Schikanen gegenüber den Gefangenen fortsetzten.
Bis 1940 betrug der Anteil der als (auch nach heutigem Rechtsempfinden) „kriminell” einzustufenden Strafgefangenen bis zu 80 %, wobei die häufigsten Delikte „schwerer Diebstahl”, „Unterschlagung” und „Betrug” waren. Daneben waren weiterhin u.a. politische Häftlinge, die allerdings überwiegend ab 1937 im Lager II Aschendorfermoor konzentriert worden waren, und nun auch Homosexuelle inhaftiert.
In den Kriegsjahren verschlechterten sich die Haftbedingungen zusehends. Die Arbeitszeiten wurden auf mindestens zwölf Stunden täglich erhöht, immer mehr Gefangene erkrankten aufgrund der hygienischen Zustände, durch Hunger und durch die Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig wurden ab 1940 zunehmend wehrmachtgerichtlich verurteilte Soldaten inhaftiert. Der Anteil der überwiegend wegen Fahnenflucht, unerlaubter Entfernung oder ‚Zersetzung der Wehrmacht‘ Verurteilten lag spätestens nach 1942 deutlich über 50 %.
Im Februar 1944 kamen für wenige Monate ca. 500 bis 600 sogenannte „Nacht und Nebel”-Gefangene aus Frankreich, Belgien und, in sehr kleiner Anzahl, aus den Niederlanden in das Lager, nachdem das eigentliche Aufnahmelager Esterwegen völlig überfüllt war. Bei den „NN”-Gefangenen handelte es sich um Widerstandskämpfer, die in ihren besetzten Ländern Spionage- und Sabotagehandlungen, Streiks und andere Aktionen organisiert und durchführt hatten, verhaftet worden waren und jetzt auf ihren Prozess warteten.
Noch im September 1944 richtete die Wehrmacht ein Wehrmachts-Untersuchungs-Gefängnis in einem abgetrennten Teil des Lagers ein und brachte hier bis zu 400 Angehörige der Wehrmacht und der Waffen-SS unter, die auf ihren Gerichtsprozess warteten. Dieses separate „Gefängnis-Lager” unterstand nicht dem Kommandanten der Emslandlager in Papenburg, sondern war eine Zweigstelle der Wehrmachtshaftanstalt Münster. Am 31.3.1945 wurden zwei Gefangene nach Bestätigung ihres Todesurteils durch ein Exekutionskommando – vermutlich Angehörige des Wachpersonals des Untersuchungsgefängnisses – auf dem Schießstand des Strafgefangenenlagers erschossen.
Zum Kriegsende wurde das Lager Börgermoor evakuiert: Während ein großer Teil der Untersuchungshäftlinge im April 1945 nach Leer und Oldenburg gebracht wurde, verlegte die Lagerleitung die Strafgefangenen in das Lager Aschendorfermoor.
In der Nachkriegszeit wurde das Gelände des Lagers bis in die 1960er Jahre hinein unter der Bezeichnung „Strafanstalten Emsland, Abteilung Börgermoor” als Gefängnis genutzt, bevor alle Lagerbauten abgerissen und die Fläche an einen Bauern verpachtet wurde. Heute wird das Gelände, an dessen Rand noch einige Unterstände der Wachmannschaften und Informationstafeln an die Vergangenheit erinnern, von einer Gärtnerei genutzt.