Bunte Markierungen in Papenburg?
Der 80. Jahrestag der Befreiung rückt näher und damit ein bedeutendes Datum für viele Gedenkstätten und Lernorte in Deutschland.
Mit der Social-Media-Kampagne #GeradeJetzt wollen wir ein klares Zeichen setzen: Wir sind hier! Als Orte des Gedenkens, des Lernens und der Begegnung laden wir euch unter dem Motto „Ich bin hier“ ein, eure persönlichen Gedanken und Eindrücke beim Besuch von historischen Orten festzuhalten und zu teilen:
Digital und Analog!
Warum bist Du hier? Warum ist es gerade heute wichtig zu erinnern? Was sind deine Gründe? Was tust du?
Setzen wir gemeinsam ein Zeichen – gerade jetzt!
#GeradeJetzt


Ehemalige Synagoge Papenburg
Die Synagogengemeinde in Papenburg gründete sich 1863 auf Genehmigung der Osnabrücker Regierung, und nach dem Niedergang der Aschendorfer Synagogengemeinde. Vier Jahre später kaufte die Gemeinde ein Haus am Hauptkanal in Papenburg und nutzte dieses als einen provisorischen Betsaal. Der als „notdürftig eingerichtete Diele“ bezeichnete Betraum in einem Privathaus war für die Zwecke allerdings unzureichend, zumal er ebenfalls als Lehrerwohnung und Schulungsraum genutzt wurde. Erst 1886/87, konnte mithilfe von Spenden und einer Hypothek eine eigene Synagoge am Hauptkanal links errichtet werden. Am 12. Mai 1887 fand die feierliche Einweihung statt, bei der Landrabbiner Dr. Buchholz aus Emden die Worte sprach: „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anders, denn Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.“
Während der Pogromnacht am 10. November 1938 wurde die Synagoge von Angehörigen der „Lager-SA“ in Brand gesetzt und zerstört. Auch die sechs Thorarollen fielen der Verwüstung zum Opfer. Weitere jüdische Einrichtungen und Geschäfte wurden demoliert und geplündert, und zahlreiche Juden und Jüdinnen verhaftet und in Konzentrationslager deportiert. Nur wenige überlebten die NS-Zeit.
1979 wurde nahe der einstigen Synagoge ein Gedenkstein mit einer bronzenen Tafel aufgestellt. Zehn Jahre später folgte ein Mahnmal an derselben Stelle, das die Namen aller jüdischen Opfer aus Papenburg und Aschendorf nennt. Jährlich am 9. November findet dort eine Gedenkfeier statt, um an die Ereignisse der Pogromnacht zu erinnern und ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen.
[Quellen: kirchengemeindelexikon.de; emsland.com; jüdische-gemeinde.de]

Gedenkplatte und Stele am Hauptkanal / Deverweg
Die Gedenkplatte am Haus Deverweg 2 ist etwas versteckt an der Gebäudeseite angebracht. Sie erinnert an Wilhelm Polak (1925-2015), der in diesem Haus aufwuchs. Schon als Kind war Polak aufgrund seiner jüdischen Herkunft Verfolgung und Ausgrenzung ausgesetzt. Während der NS-Diktatur wurde seine gesamte Familie in verschiedene Konzentrationslager deportiert. Nur Wilhelm und seine Schwester Ilse überlebten.
Für seine Eltern, Isaak und Lina Polak, wurden 2010 zwei Stolpersteine vor ihrem letzten Wohnhaus in Papenburg verlegt. Nach dem Krieg kehrte Wilhelm Polak als einziger Shoa-Überlebender nach Papenburg zurück. Seine Schwester emigrierte in die USA. Wilhelm baute sich hier eine Existenz auf, führte einen Buchladen und betrieb Handel. Erst 1954 konnte er im ehemaligen Betrieb seiner Eltern ein eigenes Bekleidungsgeschäft eröffnen, das er viele Jahre lang erfolgreich führte. Er war mit ganzem Herze Papenburger und sagte noch auf dem Weg zur Gedenksteinenthüllung vor der ehemaligen Synagoge am Hauptkanal: „Ach, Papenburg ist die schönste Stadt Deutschlands geworden.“
Am Hauptkanal befindet sich ebenfalls eine Stele mit Informationen zu Wilhelm Polak, seinem Lebens- und Leidensweg. Seine Lebenserinnerungen hielt Wilhelm Polak selbst in seinem Buch Erinnerungen an Papenburg und eine unfreiwillige „Reise“ fest.
[Quelle: Eissing, Uwe: Woche der Begegnung. Zum Besuch jüdischer Bürger in Papenburg und Aschendorf. Eine Dokumentation des „Arbeitskreises Woche der Begegnung“, Papenburg 1989, 76f.; jüdische-gemeinde.de]


Stolpersteine
Die Verlegung der Stolpersteine in Papenburg fußt auf einem Erinnerungs-Projekt des Künstlers Gunter Demnig und dienen als dezentrales Denkmal zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. In Papenburg und dem Stadtteil Aschendorf wurden insgesamt 39 dieser Gedenksteine verlegt. Jeder Stolperstein ist ein zehn mal zehn Zentimeter großer Betonwürfel mit einer Messingplatte, auf der Name, Geburtsjahr und Schicksal des Opfers eingraviert sind. Sie wurden jeweils vor den letzten frei gewählten Wohnorten der NS-Opfer in den Gehweg eingelassen.
Die Verlegung der Stolpersteine in Papenburg fand am 13. April 2010 statt. Sie erinnern an jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die während des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Beispielsweise wurden vor dem Haus Deverweg 2 (heute befindet sich im Untergeschoss ein C&A) zwei Stolpersteine für Isaak und Lina Polak verlegt, die 1945 im Konzentrationslager Buchenwald beziehungsweise 1944 in Stutthof ermordet wurden. Weitere Stolpersteine befinden sich unter anderem in der Friederikenstraße, dem Hauptkanal links und der Von-Galen-Straße in Aschendorf.
Eine detaillierte Liste aller in Papenburg verlegten Stolpersteine, einschließlich der Namen und Schicksale der Opfer, ist auf Wikipedia verfügbar. Diese Liste ist allerdings noch nicht vollständig, fehlen doch häufig Koordinaten und Fotos der Steine sowie Kurzbiographien der ehemaligen jüdischen Bewohner und Bewohnerinnen Papenburgs.
Die Stolpersteine fordern dazu auf, innezuhalten und der Menschen zu gedenken, die einst in unserer Nachbarschaft lebten und durch das NS-Regime ihr Leben verloren.
[Quellen: jüdische-gemeinde.de; Ems-Zeitung (09.08.2010)]
