Nachdem polnische Gedenkstättenmitarbeitende im Juni 2024 zentrale Erinnerungs- und Gedenkorte in Niedersachsen besuchten, war es nun an der Zeit, auch die polnische Gedenklandschaft näher kennenzulernen. Dieser von der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (SnG) organisierte Fachaustausch fand vom 10.-15. September statt. Auch unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Tessa Hesener nahm teil und möchte auf diesem Wege einige Eindrücke und Bilder mit Interessierten teilen.
Schon bei der langen Anreise per Zug bietet sich die Möglichkeit zum Austausch mit den Kolleg:innen der niedersächsischen Gedenkstätten. Schnell steht fest: Die Gruppendynamik stimmt und die Zusammensetzung aus Leiter:innen, pädagogischen und wissenschaftlichen Kräften führt zu interessanten Diskussionen und einem reichhaltigen Ideenaustausch in Bezug auf neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Gleichzeitig bekomme ich durch die Zugfahrt einen ersten Eindruck von Polen selbst, einem Land, in das ich zuvor noch nicht gereist war. Unser Ziel ist Lublin, eine Großstadt im Osten Polens mit circa 340.000 Einwohnern und noch dazu mit einer zentralen Rolle in der polnischen Geschichte. 1569 wurde ebendort die Lubliner Union geschlossen. 1809 und 1944/45 wurde die Stadt sogar kurzzeitig zur Hauptstadt des Landes, ein Fakt, auf den die Bewohner:innen Lublins sehr stolz seien, wie uns unsere polnischen Gastgeber:innen versichern.
Gedenkstätte Majdanek
Am ersten Tag des Austauschs machen wir uns schon früh auf den Weg zur Gedenkstätte Majdanek, die sich auf dem Gelände des ersten Konzentrationslagers der SS-Inspektion der Konzentrationslager im von den Deutschen besetzten Polen befindet. Gerade in den späteren Kriegsjahren wurde das KZ von der SS zeitweise als Vernichtungs-/ Todeslager genutzt. 1941 gegründet, wurden vor allem Juden, Jüdinnen und polnische Bürger:innen im Rahmen von Zwangsumsiedlungen und Deportationen im Lager interniert, in dem es am 3./4. November 1943 bei der sogenannten „Aktion Erntefest“ zu einem Massenmord an den Häftlingen kam. Über 9.000 Juden und Jüdinnen wurden aus Lublin und dem Zwangsarbeiterlager Lublin-Lipowastraße in das KZ verschleppt und zusammen mit weiteren 8.000 Häftlingen ermordet. Aber auch danach fungierte das Lager als Vernichtungsstätte von kranken Häftlingen anderer Lager. Es wurde 1944 durch die SS aufgelöst, da sich die Rote Armee auf dem Vormarsch befand. Im Zuge dessen wurde das geräumte KZ Majdanek als das erste große Vernichtungslager in Polen befreit und schlug Wellen in der internationalen Presse. Noch im selben Jahr, im November 1944 wurde das Staatliche Museum Majdanek als erste Gedenkstätte, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg befasst, errichtet.
Nach einer Begrüßungsveranstaltung durch die Kolleg:innen vor Ort brechen wir zu einer Führung über das ehemalige Lagergelände auf. Neben einer kleinen Ausstellung, die sich vor allem auf Häftlingsbiographien stützt, widmet sich unser Besuch dem Außengelände der Gedenkstätte. Die zum Teil erhaltenen Barackengebäude, die Duschen, die Gaskammer, aber auch die schiere Größe des Geländes selbst, das heute deutlich kleiner ist als zu Kriegszeiten, hinterlassen einen besonders bleibenden Eindruck bei mir, an den ich mich sicher noch lange erinnern werde. Im vorderen Bereich des Geländes befindet sich ein Mahnmal, das zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus errichtet wurde. Durch die Beschaffenheit der Skulptur kann man direkt bis zum Mausoleum, das sich in einem Kilometer Entfernung am anderen Ende des Geländes befindet, blicken. In dessen Nähe, auf einer Erhöhung hinter dem heutigen Zaun liegt der Bereich, in dem die Massenmorde begangen wurden. Das Mausoleum ist mit der Asche der Opfer gefüllt und verfügt schon allein durch die Größe über eine Wirkung, die sich hier nur schwer beschreiben lässt, aber am ehesten so: Die bereits vorhandene Erfahrung der Gruppe im Umgang mit der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus kann der Ungläubigkeit und Trauer nicht entgegenwirken, die sich vor Ort nachdrücklich einstellt. Die Baracken sind noch immer mit den originalen Beschilderungen versehen. Im Inneren befinden sich zumeist Ausstellungstexte und Bilder zu unterschiedlichen Themen.
Stadtführung durch Lublin
Die zweite Tageshälfte nutzen wir für eine Stadtführung durch Lublin, die sich sowohl am jüdischen Leben der Stadt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs als auch an den zentralen Orten orientiert, die in einem Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Terror standen. Wir beginnen im Schloss, das seit 1831 als Gefängnis genutzt wurde. Zunächst unter der Zarenherrschaft, dann im unabhängigen Polen von 1918 bis 1939 und schließlich während der deutschen Besatzungszeit. Zur NS-Zeit wurden neben Juden und Jüdinnen im Schloss auch polnische Widerstandskämpfer:innen interniert, bevor sie in Konzentrationslager deportiert wurden. Am 22. Juli 1944, kurz vor dem endgültigen Rückzug der Deutschen, ermordeten die Nationalsozialist:innen die letzten 300 Häftlinge im Schloss. Aber auch danach war das Schloss das Gefängnis der sowjetischen Geheimpolizei und später des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit, in dem primär Gegner:innen des kommunistischen Regimes inhaftiert waren. Auch zu dieser Zeit wurden Hunderte Häftlinge verurteilt und hingerichtet. Heute bietet das Schloss eine Ausstellungsfläche für Kunstwerke aus unterschiedlichen Epochen. Lediglich eine Plakette am Eingang erinnert an die internierten jüdischen Häftlinge.
Ein leicht gewundener Weg führt vom Schloss hinab in Richtung des ehemaligen jüdischen Viertels. Auf der Brücke bleiben wir stehen, um unseren Blick auf den Standort der ehemaligen Synagoge zu richten. Sie existiert heute nicht mehr, aber ein dauerhaft brennendes Gedenklicht und eine Tafel erinnern an sie. Am Ende der Brücke befindet sich der damalige Eingang zum Viertel, das wir nun betreten. In der Nähe des Torbogens steht das Gebäude des ehemaligen Judenrats sowie die Fundamente einer Kirche. Im Haus des Judenrats, erzählt uns unser Reiseleiter, befand sich außerdem ein Waisenhaus. Dieser Teil des Viertels gehörte ab 1941 auch zu dem von den Nationalsozia-list:innen errichteten Ghetto in Lublin. Es wurde bereits 1942 geräumt und zerstört.
Die Erkundung der Stadt endet schließlich mit einem Besuch der Gedenkstätte Pod Zegarem (dt.: „Unter der Uhr“). Durch den Zusammenschluss des Vereins ehemaliger politischer Häftlinge des Lubliner Schlosses und der Vereinigung „Pod Zegarem“ wurde das Museum 1979 gegründet. Und zwar am Ort des Gestapo-Terrors selbst. Eine lange Fotowand mit den Porträts der Opfer säumt den Gang. Die Zellen des ehemaligen Gefängnisses sind teils erhalten geblieben, originale Inschriften an den Wänden wurden von der Werkstatt für Denkmalpflege restauriert und gesichert. In jeder der ehemaligen Zelle können sich die Besucher:innen mithilfe von Infotafeln und Vitrinen zu unterschiedlichen Aspekten der Haft informieren. Die verschiedenen Räume sind so konzipiert worden, dass sie in ihrer Gesamtheit ein vollständiges Bild des deutschen Terrors in der Lubliner Region zeigen. An den Decken verlaufen noch heute die mittlerweile dichten Abwasserrohre. Das daraus tropfende Wasser und die damit einhergehende konstante Feuchtigkeit und Kälte was für die Gefangenen neben den alltäglichen Misshandlungen ein zusätzliches Element der Folter.
Ehemaliges Ghetto Izbica
Am nächsten Tag steht der Besuch der Gedenkstätte Bełżec auf dem Plan. Zuvor machen wir allerdings Halt in Izbica, südöstlich von Lublin. An diesem Ort befand sich seit 1942 das Ghetto Izbica, das als „Durchgangsstation“ in die Vernichtungslager genutzt wurde. Betrug die Einwohnerzahl von Izbica vor den Deportationen vor allem aus Deutschland, Tschechin und der Slowakei circa 4.500, so lebten zwischen März und Juni 1942 ungefähr 19.000 Menschen in provisorischen Holzhäusern. Bei verschiedenen Aktionen wurden mehr als 4.500 Juden und Jüdinnen aus dem Ghetto auf den örtlichen Friedhof getrieben und dort von der SS erschossen. Der jüdische Friedhof liegt auf einem kleinen bewaldeten Hügel, leicht erhaben über der Stadt und ist seit 1999 ein geschütztes Kulturdenkmal. Wir gehen auch dorthin und bemerken ein größeres Gebäude mit einer ungewöhnlichen Außenfassade. Es handelt sich um ein Taharahaus, das mit Grabsteinfragmenten versehen wurde. Auf dem Friedhof befindet sich ebenfalls ein Gedenkstein zur Erinnerung an die Opfer des Holocausts. Dort halten wir inne und gedenken den Opfern.
Gedenkstätte Bełżec
Die nächste Station ist die Gedenkstätte Bełżec. Es ist das erste „reine“ Vernichtungslager, dass ich in Person sehe und übt dementsprechend eine besonders drückende Stimmung auf mich aus. Wir steigen auf dem Parkplatz aus und werden von einer Mitarbeiterin empfangen, die uns den Aufbau des Lagers erklärt. In der Hand hält sie eine Zeichnung eines ehemaligen Häftlings. Bełżec überlebten lediglich drei von hunderttausenden Deportierten: Chaim Hirszman aus Janów Lubelski der Rabbiner Izrael Szapiro sowie Rudolf Reder aus dem ukrainischen Lviv. Schnell wird uns klar, dass wir nicht auf dem Parkplatz stehen, sondern bereits auf einem Teil des Vernichtungslagers. Man erkennt noch die Abdrücke der alten Schienengleise. Wir stehen also direkt auf dem Platz, auf dem die Menschen die überfüllten Waggons verließen. Direkt hinter uns steht eine Betonmauer. Nicht weit davon entfernt lagen die Gaskammern. Das große Gelände hinter der Mauer, dass ich zunächst für das Lager hielt, wurde errichtet, um die Massengräber zu kennzeichnen. Wir gehen zwischen den Gräbern hindurch, die heute mit einem Stein-Schlack-Feld bedeckt sind, durch einen Gang, der ebenfalls durch Mauern gesäumt ist, die immer höher werden, bis man den Himmel kaum noch sieht. Die Beklemmung merkt man allen Teilnehmenden an. Am Ende des Ganges öffnen sich die Mauern und man steht vor einer Inschrift „Earth Do Not Cover My Blood: Let There Be No Resting Place For My Outcry“. Einer Treppe folgend verlassen wir den Gedenkort. Der Weg ist gesäumt von Tafeln, auf denen die Heimatstädte der Ermordeten datiert sind. Nach dem Besuch der Ausstellung im Innenbereich der Gedenkstätte legt jeder von uns eine Blume auf dem Gelände nieder. Ich platziere meine in einer Wandnische im Gang, auf dessen Höhe der Himmel noch zu sehen ist.
Rotunde in Zamość
Der Tag endete mit dem Besuch der Rotunde in Zamość. Die runde Befestigungsanlage wurde im 19. Jahrhundert erbaut und zur Zeit der deutschen Okkupation als Erschießungsstätte und Gefängnis der „Sicherheitspolizei“ genutzt. Während der „Aktion Zamość“ wurden in der Rotunde viele Einwohner:innen des Ortes ermordet. Bis auf eine ehemalige Gefängniszelle sind die übrigen Zellen erhalten geblieben und mit Gedenksteinen und Informationstafeln versehen. Wie bei einem Rundgang kann man von „Raum zu Raum“ gehen und wird über die verschiedenen Opfergruppen informiert. Beispielsweise wurden auch in diesem Ort Kinder von ihren Familien getrennt und nach rassistischen Kriterien zur Arbeit oder Zwangsgermanisierung ins Deutsche Reich geschickt. Viele von ihnen haben ihre Familien nie wiedergesehen und erfuhren erst Jahrzehnte später von ihrer Ge-schichte. Seit 1947 ist die Rotunde und der dazugehörige Friedhof direkt vor dem Gebäude ein Gedenkort. Auf dem Friedhof liegen neben den Opfern aus der Rotunde auch polnische Soldaten, Soldaten der Roten Armee aus Kriegsgefangenenlagern sowie ermordete Juden und Jüdinnen.
Gedenkstätte Sobibór
Den vorletzten Tag unserer Reise widmen wir der Gedenkstätte in der Nähe des Dreiländerecks von Polen, Belarus und der Ukraine: Sobibór. Tomasz Kranz, Leiter der Gedenkstätte Majdanek, führt uns durch die Gedenkstätte und erläutert dabei die perfide zeitliche Taktung zwischen der Ankunft der Deportierten und deren Tod in den Gaskammern des Vernichtungslagers. Strukturell war das Lager ähnlich aufgebaut wie das Lager Bełżec, allerdings erheblich größer. Im Lager I befanden sich neben den Unterkünften der SS-Männer auch Baracken für Häftlinge, die zum Beispiel Hilfsdienste zu leisten hatten. Im Lager II wurden weitere Unterkünfte für 400 Häftlinge erbaut sowie Lagergebäude für Effekten, also die persönlichen Gegenstände der Menschen im Lager. Durch einen Gang war das Lager II mit dem Lager III verbunden, in dem sich die Gaskammern befanden. Dieser Gang ist heute an den weißen Steinen erkennbar und wird von einer hohen Gedenkmauer gesäumt. Ihrem Verlauf folgend erreichen wir den Standort der ehemaligen Gaskammern, die heute in ihren Grundrissen ebenfalls an weißen Steinen erkennbar sind. Der Platz dahinter ist bis auf einen Gedenkstein am hinteren Ende leer und verdeutlicht noch einmal auf traurige Weise, das diese Stelle, an der wir stehen, keiner der Menschen, die in das Lager gebracht wurden, lebendig erreichte. Hinter dem Gedenkstein befindet sich ein weitläufiges Areal, das ebenfalls von der Gedenkmauer eingegrenzt und mit weißen Steinen bestückt ist. Im hintersten Teil lässt sich eine Erhöhung erkennen: Der „Aschehügel“. Er symbolisiert die Massengräber, die sich auf diesem Bereich befinden, wobei ihn ihm selbst keine menschlichen Überreste entdeckt wurden. Die schier unzähligen Steine stehen, so Kranz, für die vielen Menschenleben, die hier ein Ende fanden. Im Anschluss an eine Blumenniederlegung kehren wir in die Innenräume der Gedenkstätte zurück. Der Weg ist gesäumt mit kleinen Steinen, auf denen Plaketten mit Namen und Daten, teils von Einzelpersonen, teils von ganzen Familien, installiert wurden.
In der Gedenkstätte werden wir durch die Ausstellung geführt, die mit kurzen prägnanten Texten in die verschiedenen Bereiche der deutschen Besatzung und des Lagers einführt. Neben der Politik gegen das jüdische Leben wird auch die Logistik des Holocausts beleuchtet oder die Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus europäischen Ländern. Durch die Ausstellung zieht sich eine lange Vitrine, in der verschiedene Ausstellungsstücke zu sehen sind. Vor allem persönliche Gegenstände der Häftlinge finden hier einen Platz und werden prominent in das Zentrum des Gedenkens gestellt. Die Ausstellung ist multimedial mit Texten, Filmen und Objekten gestützt und verfügt am Ende über eine interaktive Station, bei der man sich mit Zeitzeugeninterviews beschäftigen kann.
Stadtführung Włodawa
Weiter auf die Spuren jüdischen Lebens begeben wir uns in Włodawa. Erstmals erwähnt wird die ethnische Minderheit der Stadt im Jahr 1531, wuchs aber bis zum 19 Jahrhundert stark an, sodass sie zur Zeit der deutschen Besatzung 70 % der Stadtbevölkerung ausmachte. Zusammen besichtigen wir die Synagoge, die aufgrund eines Brandes 1934 teils zerstört, aber wieder vollständige erneuert wurde. Der Toraschrein ist mit farbigen und goldenen Symbolen und Inschriften verziert. Hinter einem bestickten Vorhang befindet sich die Tora selbst. Beim Rundgang durch die Synagoge können wir verschiedene Vitrinen mit Ausstellungsstücken betrachten. Dazu gehören neben alltäglichen Gegenständen wie Löffel auch religiöse Artefakte wie eine Tora, Kippot oder ein Tallit. Während des Zweiten Weltkriegs zerstörten die Deutschen die Birma der Synagoge und nutzten sie als Lagerhalle. Erst Jahrzehnte später wurde sie erneut restauriert und ist seit 1983 Sitz des Regionalmuseums.
Gelände des SS-Ausbildungs- und Arbeitslager Trawniki
Bevor wir zum Abschluss unserer Reise gelangen, fahren wir zum ehemaligen Gelände des SS-Ausbildungs- und Arbeitslager Trawniki. Auf dem Gelände einer Zuckerfabrik und in der Nähe des Bahnhofs wurde es in der zweiten Jahreshälfte 1941 von der SS eingerichtet. Das Lager, das zuvor als provisorisches Kriegsgefangenenlager für sowjetische Soldaten genutzt wurde, sollte primär der Ausbildung von SS-Männern und Hilfskräften zur Durchführung der „Aktion Reinhardt“, also dem Völkermord an den Juden und Jüdinnen dienen. Mehrere Firmen siedelten Ende 1941 mit den für sie beschäftigten Zwangsarbeiter:innen in das Lager Trawniki über, bis am 3. November 1943 im Zuge der „Aktion Erntefest“ alle etwas 6.000 Zwangsarbeiter:innen von den SS-Männern erschossen wurden.
Wir versammeln uns im neu restaurierten Bahnhof, da es draußen stark regnet. Unser Gruppenleiter und stellvertretender Direktor der Gedenkstätte Majdanek Wiesław Wysok reicht uns eine Skizze des ehemaligen Lagergeländes und beschreibt, wie die einzelnen Komplexe angeordnet waren. Denn heute ist vom Lager kaum noch etwas zu sehen. Zwar existieren noch einige Gebäude aus der Lagerzeit, aber sie stehen auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik und sind daher nicht öffentlich zugänglich. Nur der Bahnhof lässt sich noch leicht lokalisieren. Die übrigen Lagerbestandteile sind allerdings vollständig entfernt und mit Straßen, Parks oder Wohnhäusern überbaut worden. Wir gehen die verregnete Straße entlang und halten vor einem Gedenkstein. Das Denkmal existiert seit den 1960er Jahren und erinnert an die Opfer der „Aktion Erntefest“. Da auf der Vorderseite von „Opfern verschiedener Nationalitäten“ die Rede ist und zumeist polnische Juden und Jüdinnen den SS-Männern zum Opfer fielen, wurde auf der Rückseite des Steins eine Gravur im Jahr 2001 ergänzt, in der ausdrücklich die jüdischen Häftlinge genannt werden.
Abschluss
Zum Abschluss der Reise treffen wir uns an dem Ort, an dem wir auch begonnen hatten: In der Gedenkstätte Majdanek. Dort geben uns unsere polnischen Kolleg:innen Einblicke in die verschiedenen Bereiche ihrer Arbeit. So stellt Anna Surdacka verschiedene Objekte vor und erklärt, auf welchem Weg sie in die Gedenkstätte gelangt sind. Einige Gegenstände wurden bei archäologischen Ausgrabungen entdeckt, während andere von ehemaligen Häftlingen oder ihren Angehörigen als Schenkung der Gedenkstätte übergeben wurden. Insgesamt zählt der Objektbestand der Gedenkstätten Majdanek, Sobibór und Bełżec, der zusammen verwaltet wird, circa 300.000 gegenständliche Archivalien. Aber auch das Schriftgut und die Fotosammlung der Gedenkstätten wurden uns präsentiert. Łukasz Myszala spricht dabei über die Schwierigkeit, originale Fotos von den Lagern selbst zu finden. Die meisten Bilder stammen aus Fotoalben, die der Gedenkstätte von den Familien der ehemaligen Häftlinge übergeben wurde. Er zeigt uns außerdem ein umfangreiches Buch, in dem die mehr als 7.000 Namen der Verstorbenen aus dem Jahr 1942 niedergeschrieben wurden. Schließlich stellt Karolina Wasiluk die pädagogische Arbeit vor Ort vor und erläutert, wie sowohl Jugendliche als auch Erwachsene von den vielfältigen Formaten der Gedenkstätte profitieren können. Sie verweist außerdem darauf, dass die Bildung durch die Gedenkstätte ein komplementäres Angebot zur Schulbildung darstellt, da im Schulcurriculum vermehrt Aspekte zum Kriegsgeschehen erörtert werden, aber nur wenig auf den Holocaust in der Region Bezug genommen wird.
Im Anschluss sprechen wir über die weitere Zusammenarbeit und Möglichkeiten, um den Austausch lebendig zu halten. Dabei gab es bereits einige konkretere Ideen und alle sind sich einig, dass sich aus dieser Reise interessante zukünftige Projekte entwickeln lassen.
An dieser Stelle ein Dankeschön an die großartige Organisation der Reise durch die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten. Vor allem an Christian Wolpers und Mattis Binner, die die Reise vor Ort begleiteten und für Anregungen jederzeit offen waren. Aber auch an alle Teilnehmenden für die guten Gespräche und die vielen Ideen.
Also a huge thank you to our polish colleagues for the warm welcome and fruitful exchange. The DIZ is looking forward to future cooperations and projects in Lower Saxony and beyond!